Experten Interview mit Alessia Schrepfer

September 20, 2023

Interview mit Alessia Schrepfer, CEO & Gründerin von AS20 AG

In der dynamischen Welt des Gesundheitswesens gibt es Persönlichkeiten, die Pionierarbeit leisten und den Weg für die Zukunft ebnen. Eine dieser herausragenden Köpfe ist Alessia Schrepfer. Viele von uns kennen bereits ihre bahnbrechenden Beiträge zur Transformation im Gesundheitssektor, sei es durch interdisziplinäre Ansätze oder die Einführung neuester Technologien.

Auch wenn wir nicht die Gelegenheit haben, Alessia persönlich zu treffen, gibt uns dieses digitale Interview die Möglichkeit, tiefer in ihre Gedanken und Visionen einzutauchen.

Unser Redakteur, Sandro Lusicic, im Gespräch mit Alessia Schrepfer.

Sandro Lusicic: Sie haben eine digitale Lernjourney für die Langzeitpflege entworfen. Könnten Sie uns näher erläutern, was Sie dazu inspiriert hat?

Alessia Schrepfer: Während meiner Laufbahn in der geriatrischen Pflege und Betreuung habe ich immer wieder die gleichen „Wissenslücken“ angetroffen und mich oft gefragt, wie wir diese Lücken nachhaltig schliessen können, ohne dass es unendlich viel Ressourcen (Zeit und Geld) in Anspruch nimmt.

Mit einer Heimärztin zusammen haben wir deswegen die Schulung „Klinische Entscheidungsfindung“ aufgesetzt, welche zu 100 % praxisorientiert ist. Theorie wird auf den Punkt gebracht und direkt erklärt, wie man in der Praxis handeln kann.

Sandro Lusicic: Welche konkreten Ziele verfolgt Ihre Initiative zur "Klinischen Entscheidungsfindung" in der Langzeitpflege, und wie sieht das Lernangebot für Pflegefachpersonen aus?

Alessia Schrepfer: Aufgrund diverser Faktoren wie unklare Therapieziele, mangelhafte Reserveverordnungen oder fehlender Patientenverfügung sind wir oft nicht adäquat handlungsfähig. Unnötige Spitalüberweisungen und/ oder Fehlinterventionen sind die Folge.

Das Modul «Klinische Entscheidungsfindung» fokussiert sich auf die Verantwortung und Kompetenz innerhalb der pflegerischen- und medizinischen Therapiezielfindung und der prägnanten Symptomanalyse im Akutfall. Wir gehen die “alltäglichen Herausforderungen in der Geriatrie” an, mit der Zielsetzung Pflegefachpersonen und ihre Teams in der Langzeitpflege handlungsfähiger und sicherer im Alltag zu machen.

Unser Zielpublikum sind Pflegefachpersonen (FAGE und Dipl. Pflegefachpersonal), welche mit geriatrischen Patienten zusammenarbeiten.

Es empfiehlt sich das gesamte Lernangebot der Reihe nach zu absolvieren und dies über mehrere Wochen. Der Aufwand pro Tag sind 5-15 Minuten (Video, Stories & Quizz) und so oft repetierbar wie gewünscht.

Zur Vertiefung und Klärung von Fragen sind digitale 1 to 1 Coachings mit unserer Pflegexpertin möglich, um die digitalen Lerninhalte zu vertiefen und/oder Praxisfälle zu besprechen.

Sandro Lusicic: Wie kamen Sie auf die Idee, unterschiedliche Fachgebiete interdisziplinär zu verknüpfen, besonders in der Medizin- und Pflegebranche und welche Vorteile sehen Sie darin?

Alessia Schrepfer: Wir agieren innerhalb des Gesundheitswesens, darin sind enorm viele Berufsgruppen vertreten. Bei AS20 sind drei davon: Pflege, Medizin und Betriebswirtschaft. Da dies die beruflichen Hintergründe unseres Teams sind, war es naheliegen diese drei zum Start auch zu kombinieren. Wir betrachten all unsere Projekte aus verschiedenen Blickwinkeln, mit dem Ziel dadurch die bestmögliche Lösung zu erreichen. Denn wir sind davon überzeugt, dass das „Gärtli-Denken“ unser System nicht weiterbringt. Angefangen haben unsere Ideen in unserem letzten gemeinsamen Job, wo wir eine interprofessionelle Heimarztgruppe mit aufbauen durften.

Sandro Lusicic: Wie gewährleisten Sie die Balance zwischen der Digitalisierung und der Aufrechterhaltung einer persönlichen Nähe zu den Patienten? Gibt es spezifische Herausforderungen oder Best Practices?

Alessia Schrepfer: Für uns ist klar, dass die Patientenbetreuung niemals nur digital stattfinden wird und auch nicht soll. Die Digitalisierung soll die Berufsgruppen entlasten und das ganze System für alle Beteiligten inklusive der Patienten effizienter machen. Beispielsweise kann durch Videomedizin der Anfahrtsweg eingespart werden oder durch KI die Administration/ Dokumentation vereinfacht werden oder vielleicht irgendwann ja sogar komplett „abgenommen“ werden.

Wir fokussieren uns auf den hybriden Ansatz. Das bedeutet für uns digital und physisch clever kombinieren. Die Prozesse müssen so aufgesetzt sein, das am richtigen Ort die Digitalisierung integriert wird und dort, wo es weiterhin nötig ist, der direkte physische Kontakt bestehen bleibt. Digitalisierung, Robotics, usw. wird es immer mehr geben, aber es wird immer (zum Glück!) auch den Menschen benötigen. Die Zukunft wird zeigen, wie die optimale Kombination ausschauen wird.

Sandro Lusicic: Welchen Rat würden Sie anderen Unternehmen geben, die daran denken, in ähnliche innovative Vorhaben zu investieren?

Alessia Schrepfer: Im Gesundheitswesen hört man oft „wir haben es schon immer so gemacht, warum also ändern?“ Lasst euch davon nicht abhalten und habt Mut zu Neuem! Irgendwo gibt es immer ein Startpunkt resp. ein Kooperationspartner, der „auf euch gewartet hat“.

Sandro Lusicic: Das WeNurse-Genossenschaftsmodell fördert die Eigenverantwortung und das Engagement der Pflegekräfte. Könnten Sie uns erklären, wie dieses Modell funktioniert und welche Rückmeldungen Sie bisher von den Pflegekräften erhalten haben?

Alessia Schrepfer: WeNurse war ein Projekt der AS20 und ist seit Januar 2023 eine eigenständige Firma, eine AG. Sinngemäss agieren wir wie eine „moderne Genossenschaft“ aufgebaut, das heisst bei uns gibt es demokratische Abstimmungen bezgl. Firmenstrategie, Operations und vieles mehr. Wir empowern Pflegende zu Unternehmer/-innen.

Bei WeNurse sind alle Pflegenden Mitaktionärinnen und haben somit Mitspracherecht, können die Firmenkultur, sowie die Struktur direkt mit beeinflussen und selbstverständlich auch vom Erfolg mit profitieren. Bisher erhalten wir sehr positive Rückmeldungen, seitens Pflegende, als auch seitens Kunden.

Mehr Informationen unter www.wenurse.ch

Abschliessend möchten wir uns herzlich bei Alessia Schrepfer für ihre wertvollen Einblicke und ihre inspirierende Arbeit im Gesundheitswesen bedanken. Ihre Vision und ihr Engagement zeigen, wie Innovation und interdisziplinäre Zusammenarbeit das Gesundheitswesen verbessern können. Wir sind gespannt auf die Zukunft von Projekten wie der "Klinischen Entscheidungsfindung" und dem WeNurse-Genossenschaftsmodell. Wir hoffen, dass ihre Erfahrungen und Erkenntnisse andere dazu ermutigen, ebenfalls mutig neue Wege zu gehen und die Zukunft des Gesundheitswesens aktiv mitzugestalten.

Vielen Dank, Alessia, für dieses inspirierende Gespräch